Semesterthemen

In jedem Semester gibt es Hauptthemen für alle Semester, ergänzt um weitere Themen für einzelne Veranstaltungen. Die Hauptthemen, zu dem Plakate (MI 1) und andere Medienformen bis hin zu Cross-Media-Kampagnen (MuK) entwickelt werden, sind im Wintersemester 2022-23

Thema 1:Unzug in den Cyberspace?

Forsters „Die Maschine steht still“ (1909) vs. Zuckerbergs Metaverse

E.M. hspace=In E. M. Forsters Dystopie leben die Menschen in einer unterirdischen, abgekapselten Welt mit allem Komfort: Das ganze Leben ist durch die Dienstleistungen der „Maschine“ perfekt geregelt. Die Menschen haben kein Bedürfnis mehr nach persönlichen Begegnungen, man kommuniziert nur über die Maschine, die über allem wacht. Ihr Handbuch ist zu einer Art Bibel geworden, die Menschen sind gefangen in ihrer absoluten Abhängigkeit von der Technik, die sie nicht mehr kontrollieren können. Doch nach und nach geht das Wissen, das hinter der Maschine steckt, verloren und das System wird anfällig für Pannen … E. M. Forsters visionäres Werk aus dem Jahr 1909 wirft Fragen auf, die von großer Aktualität sind: Wie kann der Mensch seine Selbstbestimmung wahren gegenüber Maschinen, die immer stärker unser Leben bestimmen? (Hoffmann und Campe, 76 S.; Quelle: https://archive.org/details/die_maschine_steht_still)

 Heute progagiert Marc Zuckerberg (Meta, vormals Faceboook) das Metaversum als Lebensort der Zukunft. Den Begriff Metaverse hat der Science-Fiction-Autor Neal Stephenson in seinem dystopischen Roman »Snow Crash« (1992) eingeführt. Nach einer schweren Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt flüchten viele Menschen in virtuelle Scheinwelten. Ob Zuckerberg den Text nicht kennt oder die Flucht aus der Realität für eine tragfähige Zukungftsperspektive angesichts von Klimawandel, Pandemie und Krieg in Europa hät, ist offen. Wer die Facebook Files kennt, die die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Francis Haugen 2021 publiziert hat, wird beim Metaversum automatisch an Orwells 1984 und an das chinesische Citizen Scoring denken.

Johannes Boie zeigte sich in seiner Rezension vom 29.11.2016 in der Süddeutschen Zeitung überrascht, wie präzise E.M. Forster in seiner Erzählung „Die Machine steht still“ das heutige Internet und seine Folgen für den einzelnen wie die Gemeinschaft vorhergesehen hat – im Jahr 1909, fast 100 Jahre vor Google und Facebook. Die Themen Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen sind heute, in einer durchgängig digitalisierten und digital transformierten Welt auf dem Weg in die „Digitalität“ (die Herrschaft der Algorithmen) wichtiger denn je.

Ihre Aufgabe: Stellen Sie die Dystopie von E.M. Forster den aktuellen Szenarien von virtuellen Welten gegenüber und thematisieren Sie, wie sich das Leben der Menschen durch Artificial Intelligence (AI), Augmented Reality (AR) und virtuelle Realitäten (VR) verändert. Zum Guten?

Ganz aktuell: Was hat das Metaverse mit Bildung zu tun? (Achtung, Reklame!)

Siehe auch: Das Buch als Hörspiel: E.M. Forster (1909) Die Maschine steht still (NDR 2018.)


Thema 2: Digitaler Feudalismus

Aufruf zur Gegenrevolution gegen den digitalen Kapitalismus

Digitalität als De-Humanisierung vs. Demokratisierung des Digitalen

Die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff rief im September 2021 zu einer „demokratischen Gegenrevolution“ auf, um die „globalen Pest“ des Überwachungskapitalismus zu beenden. Öffentlichkeit und Politik müssten erkennen, dass die „Big-Tech-Firm keine Pfeiler der Innovation seien, „sondern rücksichtslose Monopolisten“. Alle Demokraten müssten sich darum dringend dem „Kampf um die Seele der Informationsgesellschaft“ stellen.

Der Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier fragte auf dem Kirchentag 2019 in Dortmund, was vom Menschen bliebe, „wenn neue Technologien immer tiefer in unsere Entscheidungen eingreifen, unser Denken lenken, unsere Wünsche formen?“ Er folgert: „Nicht um die Digitalisierung der Demokratie müssen wir uns zuallererst kümmern, sondern um die Demokratisierung des Digitalen!“ Die wichtigste Aufgabe sei die Rückgewinnung des politischen Raumes, gegen die Verrohung der Sprache und Debatten wie gegen die ungeheure Machtkonzentration weniger IT-Monopole aus dem Silicon Valley.

Rückgewinnung des politischen Raumes bedeutet: Wir haben die Hoheit darüber bereits verloren.

Geltendes Recht gilt nicht für IT-Monopolisten.

Oder: Elon Musk, baut ohne Genehmigung im Wasserschutzgebiet eine Gigafactory (Genehmigung im Nachgang erteilt), während ein Landwirt 1 1/2 Jahre auf die Baugenehmigung einer Unterkunft für Saisonarbeiter wartet und u.a. begründen muss, warum er keine Sanitäranlagen für Rollstuhlfahrer plant. Sind Sie schon mal mit einem Rollstuhl auf dem Acker gewesen? Der Landwirt formuliert die unterschiedliche Vorgehensweise es so:

„Haben Sie Ahnung von Landwirtschaft?“, fragt Voigts. Da gebe es diese Zeit, wenn Hennen geschlechtsreif sind, und der Hahn kommt in den Stall. Alle Hennen legen sich dann auf den Boden und warten darauf, bestiegen zu werden. „So kommt mir vor, was in Brandenburg gerade geschieht, ja in ganz Deutschland“ (Hägler, Meinhof 2022, S. 3) – wenn Investoren mit Digital Dollar wedeln, kann man ergänzen. Geld und/oder Einfluss brechen geltendes Recht. Das gilt für Videosoftware an (Hoch)Schulen (Lankau 2022) oder den Einsatz von Microsoft an Schulen.

Fallen Ihnen andere Dinge ein, die man mit Cyber-Dollar machen kann? Freie Fahrt für Bit and Byte? Entwickeln Sie lustige Ideen für diese Form von zweierlei Recht, das typisch ist für feudale und/oder koloniale Strukturen. Europa ist technisch eine Kolonie, mit Hardware aus Asien und Software aus den USA. Die Forderung nach digitaler Souveränität sind bislang nur verbale Bekenntnisse ohne Konsequenzen. Zum Feudalismus wird es, wenn Investoren wie Peter Thiel die Demokratie abschaffen wollen und stattdessen auf Datenbasis regieren wollen.

Quellen

Hägler, Max; Meinhof Renate (2022) Wie es ihm gefällt. (online über die HSO-Bibliothek und VPN): Ein Königreich für Elon Musk

In der Tesla-Fabrik dürfen sie bald Autos bauen, aber es bleiben Fragen. Das Wasser, der Betriebsrat. Und warum kann Elon Musk in nur zwei Jahren sein Werk hochziehen,während andernorts ein Landwirt eineinhalb Jahre auf eine Baugenehmigung wartet? Süddeutsche Zeitung vom 7.3.2022, S. 3

Stefan Krempl (2021)
Überwachungskapitalismus: Shoshana Zuboff fordert demokratische Gegenrevolution
Die US-Ökonomin hält das Einschreiten der Öffentlichkeit und der Gesetzgeber für nötig, um die „globale Pest“ des Datenraubs durch Facebook & Co. zu stoppen.

Lankau, Ralf (2022) Online-Lehre : Bildschirme ohne Spione
Datenschutzkonforme Onlinelehre ist technisch möglich. Man muss nur die richtigen Dienst verwenden. Die Hochschulen sind dazu moralisch verpflichtet. Gastbeitrag in der FAZ vom 2. März 2022

Evangelischer Kirchentag – Podium zur Digitalisierung
Rede des Bundespräsidenten Dr. Frank-walter Steinmeier auf dem Evangelischen Kirchetga 2019 in Dortmund

Zitat: „Was bleibt vom Menschen, wenn neue Technologien immer tiefer in unsere Entscheidungen eingreifen, unser Denken lenken, unsere Wünsche formen? Und wie soll Gesellschaft funktionieren, wenn jede Faser von Individualität – längst nicht mehr nur jede Abweichung von der Norm – als Datenpunkt erfasst und in neuen Zusammenhängen verarbeitet wird – bei den einen vom Staat, bei den anderen von privaten Datenriesen? Über diese Fragen will ich heute mit Euch sprechen.“